Freitag, 14. Mai 2004

Die letzten Sekunden der Mission Eukanuba.

(Zum Ansehen des Filmdokuments Link anklicken.)

Mein Sohn, eines Tages wird des alles dir gehören. Captain Strohmann war schon seit Jahren mit diesem Satz schwanger. Erst recht, seit er diesen Zeichentrickfilm gesehen hatte, wo ein Löwe mit seinem kleinen Nachkömmling auf einem Felsvorsprung sitzt, mit seiner Tatze auf die Savanne deutet und so etwas wie "Everything the light touches is our kingdom" murmelt. Erhebend. Captain Strohmann war natürlich klar, dass er als Leiter der Mission Eukanuba und damit als erster Mensch auf dem Planeten Euka etwas vollkommen anderes in sein Funkgerät sagen musste. 2 Milliarden Erdenbürger würden seine Worte vernehmen, und kein einziger davon hätte verstanden, wenn der Missionsleiter seinem Sohn einen Planeten schenkt, der ihm ja nicht einmal gehört. Wahrscheinlich hätte ihm bei der Rückkehr auch die Bodenkontrolle Schwierigkeiten gemacht. Probleme, die er nicht brauchen konnte, zumal er eigentlich sowieso nicht fliegen wollte. Kommerzialrat Leukoplast, ein Nachfahre der berühmten Klebeband-Dynastie, hatte ihn bei einem Mittagessen dazu überredet. "Unsterblichkeit" hatte ihm der Kommerzialrat damals versprochen. "Wenn Sie gestorben sind, wird sich ihre Frau vielleicht an Sie erinnern und wenn Sie Glück haben, sogar Ihre Kinder. Aber schon die Kinder Ihrer Kinder werden nicht mehr wissen, wer ihr Großvater war. Wenn Sie jedoch diese Mission leiten, dann wird man sich ewig an Sie erinnern und Ihr Name wird noch tausend Jahre in den Köpfen und auf den Lippen der Menschen sein." Kommerzialrat Leukoplast kannte Captain Strohmanns Vater noch aus Vietnam. Nicht aus dem Krieg, sondern von einer gemeinsamen Bootstour mit Sarafi-Reisen. Auch solche Männerfreundschaften können verbinden - wahrscheinlich fühlte sich Leukoplast deswegen dem jungen Strohmann so verbunden.

Die Landung auf Euka verlief reibungslos. Strohmanns Ko-Pilot Kurt Vogler verlor zwar für ein paar Augenblicke das Bewusstsein, aber das war auch schon auf der Erde manchmal passiert - zuletzt bei der Verabschiedung durch den Vizepremier. Eigentlich ein peinlicher Zwischenfall, aber da auch die Investoren des Projektes und Presseleute aus der ganzen Welt anwesend waren, taten alle so, als ob alles vollkommen nach Plan liefe.

Zwei Stunden nach dem Aufsetzen der Landekapsel konnten Strohmann und Vogler die Planetenoberfläche betreten. Da Strohmann noch immer keinen geschichtsträchtigen Satz parat hatte, beschloss man zunächst bis zur nächsten Anhöhe zu gehen und dort ein Statement abzugeben.

Vogler trug die Kamera, Strohmann ging voraus. Plötzlich ging alles Schlag auf Schlag. Vogler erinnerte sich an eine Aussage von Strohmann während der Ausbildungszeit. Was ihm damals wie eine nebensächliche Bemerkung vorkam, begann ihn jetzt zu kränken. Vogler hatte bei einem Simulationsflug die Höhenkontrolle mit der Temperaturanzeige verwechselt und die Landungskapsel senkrecht in den Boden gerammt. Der klassische Fehler eines Legastenikers. Strohmann hatte in diesem Moment aber wenig Verständnis und meinte: "Vogler, Sie sind dumm wie Brot!" Vogler, der seit seiner frühen Jugend an Schwerhörigkeit leidete, dachte, er habe nicht richtig gehört. Aber jetzt auf der Planetenoberfläche fiel es ihm wieder ein, und er musste plötzlich schrecklich weinen. Die Kamera noch auf Strohmann gerichtet brach aus ihm der ganze Weltschmerz heraus. Strohmann drehte sich um, Vogler senkte die Kamera Richtung Boden.

In diesem Moment implodierte entgegen allen Berechnungen der Stern GT200 und riss den Planeten Euka in ein schwarzes Loch. Die letzten Bilder, die Vogler sendete, gingen um die Welt und nie hat sie jemand vergessen.

Aber wer ist Strohmann?

Tobias Federsel

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